dresdenrap INTERVIEW: Joca über seine Comeback-Single TRÄGERRAKETEN, das Jahr 1999, 20 Jahre Rap und das „Internetgame“

Rapper, Produzent, studierter Soziologe und Familienvater. Nach über 100 Auftritten und mehreren Veröffentlichungen war es lange Zeit ruhig um ihn. Nun releast der Dresdner Musiker am 05.02.2021 seine neue Comeback-Single TRÄGERRAKETEN. Ist Ariane die bekannteste europäische Trägerrakete, so kann bei der bekanntesten Trägerrakete Dresdens nur von einem die Rede sein: Joca.
Mr. „Grown Man Rap“ im Interview mit dresdenrap.


Ich habe meine Musik immer in erster Linie für mich gemacht, wollte sie aber auch schon immer gern mit anderen teilen.“
(Foto: P0nk F0x)

dresdenrap: Joca, ich habe eine Weile überlegt wie ich am besten einsteige. Die übliche Frage wäre gewesen, wie lange du schon dabei bist und was die Leser*innen und Hörer*innen über dich wissen sollten, falls sie dich noch nicht kennen. Da wir beide eine Generation sind und in Summe 40 Jahre Rap machen, stelle ich die Frage anders:
Welches Lied oder welcher Künstler hat dich mit Rap infiziert? Erzähl uns deine Geschichte und vom Schlüsselmoment, der dich selbst hat zum Künstler werden lassen. Wann war das, wo war das und was geschah in den Folgejahren bis zum heutigen Tag?

Joca: Es muss im Winter 1999 gewesen sein. Die Location war das Kühlhaus in Dresden-Löbtau. Der Club war im Keller unter einer Kartbahn. Es sollten auch später noch viele legendäre Abende an diesem Ort stattfinden (so u.a. der Tourstopp der „Berlin bleibt hart“ Tour, etc.). Aber an diesem Abend war es Dynamite Deluxe, welche dort ein Konzert ihres ersten Albums „Deluxe Soundsystem“ gespielt haben. Ich war 13 Jahre, es war mein erstes (Rap-)Konzert und ich bin bis heute infiziert. Das was Samy damals auf der Bühne gemacht hat, die Energie im Publikum, all das hat mich nie wieder losgelassen. Ich hatte schon vor diesem Ereignis angefangen Texte zu schreiben, aber unabhängig von einem Rapkontext. Es waren eher Gedichte und kurze Prosa. Kurz nach dem Konzert habe ich selbst zu freestylen begonnen. Zunächst mit Freunden im Kinderzimmer, danach auf kleinen Jams und letztlich auf eigenen Konzerten unter dem Namen Homie MC. Dann kaufte ich mir mit einem meiner besten Freunde Stephan ein 8-Spur-TASCAM und habe von 19 bis 29 fast ununterbrochen Musik gemacht. Wir gründeten erst Eastside Entertainment, später ging diese Struktur unter einem neuen Namen auf: Stupidozid. Unter diesem Rahmen veröffentlichte ich zahlreiche Kollaboprojekte, sowie bereits 2011 mein erstes Soloalbum „SchallplaDDe“. Später kam es zur Trennung des Künstlerkollektivs um Stupidozid und zu einer Neuformation unter dem Namen Neustädter Harz. Insgesamt war ich seit 2007 an über 15 Albumproduktionen aktiv beteiligt, habe unzählige Songs aufgenommen und veröffentlicht und mittlerweile über 100 Liveauftritte in der ganzen Republik und auch darüber hinaus, so z.B. bei der Fête de la Musique in Straßburg gespielt. Dazu kommen Aufnahmen und Produktionen für andere Künstler*innen, Videoproduktionen und Konzertveranstaltungen aller Art, wie bspw. das TOWABO-Festival im Jahr 2013 mit zahlreichen großen Namen der Deutschrapszene. Was war noch? Rapworkshops in Deutschland und Belgien, und und und.

dresdenrap: Du lebst Rap und hast durch deine zahlreichen Auftritte, Projekte, Workshops and so on ganz sicher selbst viele damit infiziert und wirst es in Zukunft weiterhin tun. „Deluxe Soundsystem“ war ein Meilenstein was Deutschrap betraf. Hip-Hop hieß damals Texte auf Papier schreiben und darin Geschichten erzählen, mit Freunden treffen und freestylen, im Proberaum gemeinsam Songs basteln und Gigs veranstalten. In den letzten Jahren hat sich vieles verändert. Texte werden ins Smartphone getippt, das Studio ist zu Hause, Cyphern für viele ein Fremdwort und Gigs sind derzeit nicht möglich. Die “alte Generation“ ist oft der Meinung, dass die “neue Generation“ keinen „richtigen Rap“ mehr mache.
Wie siehst du die Entwicklung von Rap in den letzten 10-15 Jahren und wie ordnest du dich darin ein? Gibt es sowas wie „richtigen Rap“ und wenn ja, was verstehst du darunter? Hast du ein “Neuzeit-Deluxe-Soundsystem“?

Joca: Ich sehe die Entwicklung von Deutschrap fast durchweg positiv, da er sich über die Jahre immer weiter ausdifferenziert hat. Die Szene ist gewachsen, was natürlich auch die gängigen Probleme von Wachstum an sich mit sich brachte.
Doch über die letzten 20 Jahre sind viele Rapper*innen auf den Plan getreten, die diese Szene mit ihren unterschiedlichen Perspektiven und Stilen bereichert haben. Ich feier eigentlich alles (was dope ist) als Teil des Ganzen. Natürlich das Eine mehr und Anderes wieder weniger.

Auch die Entwicklung von Dresdner Rap im Speziellen verfolge ich intensiv und freue mich über die gute Richtung in die sich die hiesige Szene bewegt. Ich gebe mir regelmäßig die Songs aller etablierten und neuen Künstler*innen und beobachte mit Freude, dass die Qualität und Kreativität in den letzten Jahren in allen Bereichen stetig steigt. Props an der Stelle insbesondere an EFF32, Von Welt, Mias ZK, LaRey, Samzon, KLI, Juslem und Vync! S/O an die etablierten Kolleg*innen wie Armin, Gossenboss mit Zett, Kollege Hartmann, Speche, SDope & RoyPlus, Dueze, Aero, Halunke, SMC und Persé.

Ich glaube nicht, dass es so etwas wie „richtigen“ Rap gibt, aber es gibt auch definitiv einen Haufen Müll. Aber den gab es schon immer, heutzutage muss ich halt noch mehr nach den Perlen suchen. Früher war es schwerer nach guter Musik zu suchen, heute ist es schwerer gute Musik zu finden. Die gute Musik ist aber weiterhin da und es wird nur immer mehr. Das Deutschrap-Album, welches mich in den letzten 5 Jahren am meisten abgeholt hat, war „AVRAKADAVRA“ von Goldroger.

dresdenrap: Lass uns über deine neue Single TRÄGERRAKETEN plaudern. Wenn ich nach „Trägerrakete“ google, bekomme ich folgendes Ergebnis bei Wikipedia: „Eine orbitale Trägerrakete ist eine mehrstufige Rakete, die dem Transport von Menschen oder Nutzlasten in eine Erdumlaufbahn oder Fluchtbahn dient und somit ein System zum Betrieb von Raumfahrt ist.“
Was hat es mit dem Titel auf sich? Hast du manchmal das Bedürfnis von der Erde zu fliehen und das menschliche Treiben aus der Vogelperspektive zu betrachten oder fasziniert dich der Weltraum und seine Schwerelosigkeit?

Joca: Zu beiden Fragen: definitiv ja. Das Bedürfnis der Flucht ist genauso omnipräsent wie die Faszination für das Universum an sich. Dem Drang das menschliche Treiben von oben zu beobachten bin ich mit meinem Studium nachgegangen. Der Titel hat aber mit alldem nicht allzu viel zu tun, er leitet sich ganz simpel aus den letzten Textzeilen des Songs ab:

Wir verwenden unsere Zeilen nicht für dämliche Themen.
Schreiben Zeilen in die Welt, damit sie jeder da sehen kann.
Damit sich die Ideen frei durch die Gegend bewegen.
So wie Trägerraketen, Jap, wie Trägerraketen.“
(Auszug aus: Joca – Trägerraketen)

Cover (Artwork: Arda)

dresdenrap: Vor dem eigentlichen Release gibt es einen Tag zuvor zur Prime-Time um 20:15 Uhr eine Videopremiere von TRÄGERRAKETEN. Jeder der schon mal ein Musikvideo gedreht hat, weiß wie viel Aufwand dahintersteckt und dass dies etwas Besonderes ist. Der Song bekommt zusätzliche Atmosphäre und wird mit bewegten Bildern untermalt.
Erzähl uns gern was zum Dreh und den daran Beteiligten. Welche persönliche Bedeutung hat das Video für dich?

Joca: Der großartige David Ohl, welcher auch schon für meinen Neustädter Harz-Bandkollegen Gisela Björn 2 schicke Videos für dessen letztes Album abgedreht hat, sowie der fulminante Arda (Frau Albert / Kotburschi Kollektiv) haben ein Video-Leckerbissen der Extraklasse gezaubert! Der Dreh war super entspannt und hat allen Beteiligten einen Menge Spaß gemacht, die man mir im Video auch deutlich ansieht. Wir haben von früh um 8 an alles an einem Tag abgedreht. Meine Bandkollegen Franzman, welcher auch den Beat zum Song produziert hat, sowie Gisela Björn sind für kurze Cameo-Auftritte bei Dreh vorbeigekommen. Cana wird safe im nächsten Video seinen Platz finden 😉 Grüße an der Stelle an die ganze Geng! Arda hat neben der kuhlen Postproduktion des Videos auch noch das schicke Cover für die Single gemacht. Tausend Dank nochmal an dieser Stelle Keule! Am selben Tag ging es am Nachmittag noch nach Oschatz zur Releaseparty meines hochgeschätzten Rapperkollegen Speche. Das war tatsächlich unser letzter Live-Auftritt bis dato, damals schon unter strikten AHARegeln in einer alten Flughalle.

Das Video ist meine erste Soloveröffentlichung seit fast 10 Jahren und dementsprechend wichtig war es mir, dass der Song erstmal eine gute Stimmung verbreitet und was Sound, Grafik und Video angeht, auf der Höhe der Zeit ist. Mir macht der Song Lust auf mehr und ich hoffe den Hörer*innen wird es auch so gehen. Der Titel selbst hat es aber gar nicht auf das neue Album geschafft. Er stammt aus der Albumproduktionsphase, ist aber rausgefallen, weil er thematisch nicht ganz zum Rest passen wollte. Allerdings fand ich den Song zu stark, um ihn auf meiner Festplatte vergammeln zu lassen. Und so wurde er zum perfekten Startschuss der Album-Promo und nun zum ersten musikalischen Lebenszeichen von mir.

dresdenrap: Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Der Video-Teaser erlaubt einen akustischen Einblick in genau einen Loop. Das Piano mit den recht tiefen Tönen bleibt direkt im Ohr. Das „wissenschaftliche“ Artwork von Arda ist ein Blickfänger. Kurz gesagt: Es ist dir (mittels Social Media) gelungen uns alle neugierig zu machen! Wir leben in einer Zeit, in der Promo Instagram und Co heißt und du laut eigener Aussage eher „zufällig in dieses Internetgame reingeslidet“ bist. Gute Musik lebt von gutem Support.
Gibt es einen Grund weshalb du bisher nicht in diesem „Internetgame“ aktiv warst? Wie wichtig sind dir Support und Feedback?

Joca: Ich habe alles was mit der Produktseite der Musik zu tun hat immer nur mit Widerwillen und minimalen Einsatz vorangetrieben, da ich die Zeit lieber zum Musik machen nutzen wollte. Nun bin ich 2017 Vater geworden und habe eine kleine Familie (Liebste Grüße an Antje & Mathilda!❤️) zu versorgen. Da bleibt nicht mehr viel Zeit zum Musizieren.
Und so ist die Rechnung ganz einfach: Ich habe meine Musik immer in erster Linie für mich gemacht, wollte sie aber auch schon immer gern mit anderen teilen. Wenn ich es also schaffe, dass mehr Menschen meine Songs hören und ich dadurch ein wenig Geld dazu verdienen kann, muss ich weniger arbeiten und kann diese freie Zeit zum Musik machen nutzen. Simple as that. Deswegen versuche ich alle mir zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung zu setzen, um die neuen Songs so vielen Menschen wie nur möglich zeigen zu können. Und jeder Klick, Like und haste nicht gesehen hilft mir dabei, so albern das auch klingt.

dresdenrap: Dein letztes Album "SchallplaDDe" liegt ganze 10 Jahre zurück. Du hattest alles selbst aufgenommen und abgemischt. Auch der ein oder andere Beat war von dir. Dass du ein doper Spitter bist, hast du damals schon unter Beweis gestellt. Seitdem ist viel Wasser die Elbe heruntergeflossen. TRÄGERRAKETEN leitet die Promo-Phase deines neuen Albums ein.
Was erwartet uns inhaltlich und soundtechnisch auf deinem neuen Album? Warst du wieder selbst an der MPC aktiv und hast die Regler justiert? Kannst du uns schon ein paar interessante Informationen über die Platte liefern?

Joca: Zur Platte selbst will ich mich gern noch ein bisschen im Schweigen hüllen. Soviel sei gesagt, der Fokus bei dieser Platte war diesmal ein anderer. Habe ich mich bei „SchallplaDDe“ noch selbst aufgenommen und gemischt, Video produziert, etc. war das Ziel diesmal das Gegenteil. Ich habe mich allein auf meine Kernkompetenz - den Rap – konzentriert und mir für alles andere die talentiertesten Dudes gesucht, die ich finden konnte. Das hat die Platte immer mehr wachsen lassen und alle Beteiligten waren am Ende spürbar zufrieden, mit dem, was wir da vor fast genau einem Jahr bei der finalen Listening-Session aus den Boxen gehört haben. Ich freue mich sehr darauf die Songs mit der Welt zu teilen, aber jetzt liegt der Fokus erstmal auf der neuen Single „Trägerraketen“.

dresdenrap: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast mit uns zu reden. Wir wünschen dir viel Erfolg mit deiner neuen Single und hören uns spätestens zu deinem Album mit (hoffentlich) einer Releaseparty wieder. Bleib der Dresdner Hip-Hop-Szene weiterhin so treu und vor allem gesund! Das abschließende Wort gehört dir.

Joca: Ich habe für das Interview zu danken! Es wird wahrscheinlich dieses Jahr eine Livestream-Release-Party zum Album geben und nächstes Jahr holen wir die „richtige“ Releaseparty einfach nach. Alle Infos dazu zu ihrer Zeit.
Wir sehen uns jetzt erstmal am Donnerstag, den 04.02.2021 um 20 Uhr im Chat unter folgendem Link zur Videopremiere: 
https://youtu.be/PRjSTvqS7cM. Den Song gibt es dann ab Freitag, den 05.02.2021 auf allen gängigen Streaming-Portalen zu hören.
Bleibt gesund.
Pies und Liebe, Joca 🚀🐳


Supporten heißt verlinken und teilen! ;)



dresdenrap INTERVIEW: Soose über sein Instrumental-Album REGEN, die Beziehung zu Fleeesch und seiner Arbeitsweise als Beatmaker

Soose serviert am heutigen Tag, dem 29.01.2021, eine Langspielplatte mit 12 delikaten Beats, die mit dem Namen REGEN getauft wurde. Anlässlich des Releases hat sich dresdenrap in Textform mit ihm getroffen, um euch in Lockdown geprägten Zeiten heiße Ware wie ein Lieferdienst direkt ins Haus zu bringen. Da tropft nicht nur die Zunge, wenn Drums und Snares gepaart mit melancholischen Melodien wie Regentropfen eure Ohrmuscheln berieseln. Aber Achtung: Das hier ist kein Fastfood sondern bestens abgeschmeckt und nur für Gourmets geeignet!


"Ich hab grundlegend einfach Bock Musik zu machen und das ist denke ich auch das wichtigste."

dresdenrap: Soose, ein großer Teil der Dresdner Hip-Hop-Szene kennt dich unter der Hip-Hop-Kombo Fleeesch & Soose. Du bist jedoch auch auf Solo-Pfaden unterwegs und köchelst neben "Saucy Raps" auch "Saucy Beats", wie man deiner Instagram-Bio entnehmen kann.
Seit wann bist du als Wortakrobat und Beatmaker aktiv? Wie fing alles bei dir an und nahm bis heute seinen Lauf? Welchen Einfluss hat das allseits geschäzte Allround-Genie Fleeesch auf dein musikalisches Schaffen?

Soose: Als ich das erste mal irgendwas in die Richtung gemacht habe, war ich vielleicht 17 oder 18. Erste Gehversuche mit damals noch Fruity Loops und dazu schnell geschriebene alberne Texte mit Kumpels.
Dann gab's ne längere Pause in der kaum was entstanden ist, bis Fleeesch mich tatsächlich wieder angefixt hat. Das muss so 2015 gewesen sein. Seitdem eigentlich konstantes Schaffen.
Fleeesch und ich teilen Präferenzen was Sound angeht, sind auch recht ähnlich sozialisiert mit Rap und ich schätze deswegen passt das gut. Außerdem ist er natürlich Ansprechpartner Nummer 1, wenn's um irgendwelche (sound)technischen Belange oder Feedback geht.
Shoutouts gehen raus an Grandmaster Fleeesch!

dresdenrap: Mittlerweile sind die Möglichkeiten in den eigenen vier Wänden Beats zu produzieren schier unbegrenzt. Wofür früher noch jede Menge Hardware nötig war, regelt heutzutage hoch ausgereifte Software mit unzähligen Plugins. Beides hat absolute Daseinberechtigung. Software kann nicht alles, Hardware aber auch nicht.
Mit welcher Hardware und Software arbeitest du? Was ist für dich wichtig, wenn du deiner Kreativität freien Lauf lassen möchtest? Welche Bedingungen müssen neben den technischen Aspekten gegeben sein?

Soose: Was Beats angeht arbeite ich schon immer mit FL Studio. Hardwaretechnisch nur der ein oder andere Controller/MIDI-Keyboard. Für mich ist zum einen wichtig schnell umsetzen zu können was mir in den Kopf kommt und zum anderen den Freiraum zu haben zu experimentieren.
Gerade was schnelles Arbeiten angeht, ist das nach den Jahren und der Erfahrung mit FL Studio gut machbar. Was Beats angeht gibt es weniger Bedingungen die erfüllt sein müssen, das wichtigste ist einfach anzufangen.

dresdenrap: In der heutigen Zeit ist es leider nicht mehr üblich, dass neben dem eigentlichen Song auch das dazugehörige Instrumental veröffentlich wird. Früher war das Standard auf jeder Maxi-CD und Vinyl inklusive Accapella. REGEN ist eine reine Instrumental-Platte. Wenn man so will ist das eine Seltenheit.
Wie bist du zu dieser Entscheidung gekommen? Wie entstand der Titel der Platte? Welchen emotionalen bzw. persönlichen Stellenwert haben die 12 Tracks für dich?

Soose: Es gibt da draußen eine ganze Menge an Instrumentalalben oder Beattapes wenn man so will. Mir gefällt der Gedanke in einem Genre welches viel von Lyrics lebt, genau den Baustein weitestgehend zu entfernen und dafür die Musik sprechen zu lassen.
Von daher ist die Idee eine reine Instrumentalplatte zu veröffentlichen keine neue für mich. Konkret wurde es als ich in relativ kurzem Zeitraum einige Beatskizzen gebastelt hatte, die für mich stimmungstechnisch sehr gut zusammen passten und im Verbund Sinn machten.
Ich habe dann angefangen die Skizzen zu verfeinern und noch weitere hinzugefügt. Später hab ich dann versucht herauszufinden was die Instrumentals verbindet und für mich war das Regen. Genauer kann ich das auch nicht erklären, aber ich fand das als Titel dann sehr passend.
Ich bin sehr zufrieden mit den 12 Tracks und dem Album an sich und freue mich das jetzt als erste Solo-Veröffentlichung rausbringen zu können und das ein oder andere Feedback zu bekommen.

"Melancholisch, düster, hoffnungsvoll."

dresdenrap: Die Handschrift deiner Beats ist unverkennbar. Du arbeitest gern mit Samples und knackigen Drums. Einen Soose-Beat hört man dank seines Wiedererkennungswertes heraus. Als Beatmaker verrät man ungern seine Sample-Quellen.
Auf welche Art und Weise beziehst du deine Samples? Welche Genres präferierst du? Spielst du selbst Melodien und Harmonien ein? Welchen Charakter besitzt REGEN?

Soose: Was Samples angeht präferiere ich nichts. Ich glaub das wichtigste ist einfach überall mal reinzuhören, es gibt Unmengen an super Musik die sich lohnt zu hören (und zu samplen).
Ich spiel auch selber Sachen ein, zwar weniger als ich gerne würde aber das kann ja alles noch kommen.
Den Charakter zu beschreiben fällt mir schwer. Regen ist ein Album voller boombapiger Instrumentals. Bisschen dreckig, bisschen rough, bisschen schön.

dresdenrap: Stell dir vor es ist ein verregneter Sonntagnachmittag. Graue Wolkendecke. Der Geruch von Regen breitet sich in deiner Nase aus. Du liegst gemütlich auf dem Sofa. Der Kaffee schmeckt doppelt so gut wie sonst. Du lauschst dem angenehmen Klang der Regentropfen, die sich an der Fensterscheibe auflösen und herunterperlen. Dich packt es und du gehst zum Ort der kreativen Sinne.
Wie gehst du vor, um einen Beat zu schustern? Zuerst Samples? Zuerst Drumset? Dann die Bassline? Eine Melodie passend zur Stimmung einspielen? Welches Tempo? Gibt es ein Schema F an dem du dich orientierst oder bist du eher ein chaotischer Freigeist?

Soose: Eigentlich immer Sample zuerst. Drums und Bassline kommen dann nachher dazu. Kann aber auch sein, dass ich später das ganze Sampling wieder umschmeiße. Kann schon mal passieren.
Die meisten Beats siedeln sich irgendwo im 80er BPM-Bereich an. Gefällt mir wohl einfach am besten.
Ich hab schon so ein paar Vorgehensweisen die ich gerne und oft anwende, aber das ist nichts zu dem ich mich selber verpflichte. Wenn ich was anders machen will, dann mach ich's.

Hörprobe "Sintflut"

dresdenrap: Anhand der Hörproben und dem Cover von REGEN (Dicke Props an deinen Grafikkumpel Jérôme Werner!) wird schnell klar, welchen Sound und welche Vibes die Platte wiedergibt. Nicht nur Rapper nutzen Storytelling, auch Beats können Geschichten erzählen und besitzen oft soviele Details, dass man sie erst nach mehrmaligen Hören wahrnimmt.
Mit welchen drei Wörtern würdest du den Sound von REGEN beschreiben? Wann sollte der Hörer die Platte am besten hören? Auf welche Feinheiten sollte er beim Hören achten, auf die du als Beatmaker besonders Wert legst?

Soose: Melancholisch, düster, hoffnungsvoll. Oder so.
Ich glaube damit kann man gut durch Regentage kommen, aber ist auch ok wenn es jemand bei Sonnenschein hört. Für mich macht das keinen Unterschied, Hauptsache du hast eine gute Zeit wenn du das hörst.
Gerade weil's ein reines Instrumental-Release ist, liegt der Fokus schon auch darauf nicht einfach 12 klassische Rapbeats rauszubringen, sondern mehr auf Abwechslung zu achten und das Instrumental die Geschichten erzählen zu lassen.

Hörprobe "Gewitterwolken"

dresdenrap: Nach jedem Regen folgt Sonnenschein. Auf Sonnenschein folgt Vitamin D und das wiederum sorgt bekanntlich für gute Laune und Energie. Du bist aber auch ohne UV-Strahlen auf hiesigen Gigs, Cypher-Runden und Kaffeekränzchen ein stets gern gesehener Gast, Künstler und Kumpel, der Leistungsfähigkeit nicht vom Wetter abhängig macht.
Welche Projekte sind derzeit in Arbeit oder geplant? Wird es nachträglich eine Release-Party von REGEN geben, sobald es die Umstände wieder zulassen? Was treibt dich an und motiviert dich? Woher hast du deinen Fleiß?

Soose: Da gibt es einiges was in Arbeit oder geplant ist, aber alles zu seiner Zeit. Ich hab jedenfalls einige Eisen im Feuer mit einigen Künstlern hier aus Dresden, sowieso Solo und natürlich auch mit Fleeesch. Aber mehr gibt's da auch noch nicht zu sagen.
Eine Release-Party von REGEN wird es nicht geben, aber falls in ferner Zukunft wieder Veranstaltungen stattfinden können, spiel ich natürlich gerne mal ein Beatset oder so.
Ich hab grundlegend einfach Bock Musik zu machen und das ist denke ich auch das wichtigste. Wenn ich mich hinsetze und einen Beat baue und ich bin dann nachher halbwegs zufrieden damit oder hab was daraus gelernt, dann ist doch alles cool. Einfach machen.

Hörprobe "Petrichor"

dresdenrap: Danke, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Bleib weiterhin mit soviel Herz bei der Sache und vor allem gesund! Das abschließende Wort gehört dir.
Was möchtest du den Lesern und Hörern noch mitteilen und mit auf dem Weg geben?

Soose: Hört gerne mal in REGEN rein, würde mich freuen. Ansonsten bleibt gesund!


Linktree zum Album REGEN:
https://album.link/i/1548155291

Alle Informationen rund um Soose:
http://www.soose.info


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